Quanten-Shuttle zum Quantenprozessor „Made in Germany“ gestartet

Das Rennen um den Quantencomputer ist im vollen Gange. In der Grundlagenforschung gehört Deutschland schon lange zur Weltspitze. Ein Zusammenschluss des Forschungszentrums Jülich mit dem Halbleiter-Hersteller Infineon will die Ergebnisse nun gemeinsam mit Instituten der Fraunhofer-Gesellschaft (IAF, IPMS), der Leibniz-Gemeinschaft (IHP, IKZ), den Universitäten in Regensburg und Konstanz sowie dem Quanten-Startup HQS in die Praxis bringen.

Ziel ist ein Halbleiter-Quantenprozessor „Made in Germany“, der auf dem „Shutteln“ von Elektronen basiert und mit in Deutschland verfügbarer Technologie realisiert werden soll. Das mit über 7,5 Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte QUASAR-Projekt will in den nächsten vier Jahren die Grundlagen für die industrielle Fertigung von Quantenprozessoren schaffen.

Quantencomputer haben das Potenzial, konventionelle Superrechner bei bestimmten Problemen weit zu übertreffen. Beispielsweise wenn es darum geht, Verkehrsströme in Metropolen zu steuern oder Materialien auf atomarer Ebene zu simulieren. Doch noch ist offen, welcher Ansatz den Wettlauf zum Quantenrechner für sich entscheiden wird. Versuche mit supraleitenden Qubits – so heißen die kleinsten Einheiten eines Quantencomputers – sind momentan am weitesten entwickelt. Auf ihnen beruhen zum Beispiel Googles Quantenchips und der experimentelle Quantencomputer im europäischen Quantenflaggschiff-Projekt, der in diesem Jahr am Forschungszentrum Jülich in Betrieb gehen soll. Doch wenn es um große Qubit-Zahlen geht, haben möglicherweise Halbleiter-Qubits die Nase vorn.

„In Jülich untersuchen wir beide Qubit-Typen, Halbleiter und Supraleiter. Starke Synergieeffekte gibt es beispielsweise bei der Entwicklung von Quantensoftware, der Bauteil-Entwicklung und deren Integration in experimentelle Rechnerarchitekturen“, sagt Prof. Wolfgang Marquardt, Vorstandsvorsitzender des Forschungszentrums Jülich. „Langfristig wollen wir in Jülich einen frei zugänglichen Quantencomputer für die Wissenschaft realisieren. Das QUASAR-Projekt ist für dieses Vorhaben ein wichtiger Schritt – in Kombination mit unseren weiteren Aktivitäten, etwa im europäischen Quanten-Flaggschiff oder bei der Erforschung von Quantenmaterialien.“

Ein vielversprechendes System für Halbleiter-Qubits sind Elektronenspin-Qubits in Silizium, weil sie vergleichsweise stabile Quanteneigenschaften aufweisen und im Aufbau viel kleiner sind als supraleitende Quantenbits. „Ein großer Pluspunkt ist: Die Herstellung ist in weiten Teilen kompatibel mit der Produktion von Silizium-Prozessoren. Das heißt, mit den Fertigungsprozessen gibt es im Prinzip schon viel Erfahrung“, erklärt Projektleiter Prof. Hendrik Bluhm, Direktor am JARA-Institut für Quanteninformation des Forschungszentrums Jülich. Beispielsweise bei Infineon am Standort Dresden: der deutsche Halbleiter-Hersteller steht mit seinen Produktionslinien im Projekt Modell, um Anpassungsmöglichkeiten des Bauelemente-Designs für die industrielle Fertigung zu untersuchen.

„Es sind noch grundlegende Fragen zu klären. Quantenchips ließen sich bislang nicht so einfach hoch skalieren wie klassische Computerchips. Ein Problem dabei waren geometrische Beschränkungen. Die Qubits müssen normalerweise sehr nahe beieinander liegen, um sie miteinander zu koppeln. Bisher wurden Halbleiter-Qubits daher vorrangig in Bauteilen demonstriert, die nicht mehr als zwei dicht nebeneinanderliegende gekoppelte Qubits aufweisen. Für eine skalierbare Architektur benötigen wir dagegen mehr Platz auf dem Quantenchip, etwa für Zuleitungen und Kontrollelektronik“, sagt Hendrik Bluhm.

Um die Abstände zu vergrößern, haben die Forscher der JARA-Kooperation des Forschungszentrums Jülich und der RWTH Aachen gemeinsam mit weiteren Forschungspartnern einen sogenannten Quantenbus entwickelt. Dabei handelt es sich um spezielle Verbindungselemente, die es möglich machen, Distanzen von bis zu 10 Mikrometern zwischen den einzelnen Qubits effizient zu überbrücken. Die Quanteninformation wird bei Silizium-Qubits durch den Spin von Elektronen kodiert, die in sogenannten Quantenpunkten – spezielle Halbleiterstrukturen im Nanobereich – sitzen. Der Quantenbus ermöglicht es, die Elektronen auf den Quantenpunkten einzufangen und kontrolliert zu transportieren, ohne dass die Quanteninformation verloren geht.

Vom Labor in die Fertigung

Der Austausch der Elektronen wird auch als „Shutteln“ bezeichnet. Im Labor liefern Teststrukturen bereits vielversprechende Ergebnisse. Nun wollen die Jülicher Forscher das Bauelement-Design an industrielle Herstellungsprozesse anpassen. Dazu haben sie sich im QUASAR-Projekt mit Infineon Dresden, dem auf quantenmechanische Materialsimulationen spezialisierten Startup HQS, Instituten der Fraunhofer-Gesellschaft (IAF, IPMS), Leibniz-Gemeinschaft (IHP, IKZ) sowie den Universitäten in Regensburg und Konstanz zusammengeschlossen.

Quanten-Shuttle

Der sogenannte Quantenbus (QuBus) ermöglicht es, einzelne Elektronen mitsamt ihrer Quanteninformation über Distanzen von bis zu 10 Mikrometern zu transportieren. Die Technik beruht auf hintereinander geschalteten Elektroden, die die Quantenpunkte durch pulsierende Spannungen wie auf einem Förderband von einem Ende zum anderen bewegen.

„Eine Herausforderung hierbei ist etwa der geforderte Reinheitsgrad, der für diesen Anwendungsfall um einiges höher ist als für die Fertigung konventioneller Computerchips“, erläutert Hendrik Bluhm. „Ein weiterer offener Punkt ist die Miniaturisierung der Kontrollsysteme auf dem Chip. Grundsätzlich sehen wir in diesem Ansatz aber ein großes Potenzial für komplexe Schaltungen. Millionen von Qubits sind realistisch.“

Bis Januar 2025 läuft das QUASAR-Projekt noch. Als nächster Schritt ist dann der Bau eines Demonstrators mit rund 25 gekoppelten Qubits geplant, welcher in einem Nachfolgeprojekt realisiert und über die „Jülicher Nutzer-Infrastruktur für Quantencomputing“ (JUNIQ) mit Cloud-Zugang in die modulare HPC-Umgebung des Jülich Supercomputing Centers eingebunden werden soll.

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